Wieviel Sex ist "normal" und was bedeutet "normal" eigentlich?
Share
Viele der Beiträge hier in unserem Blog beschäftigen sich damit, wie man über Sex spricht, wie Sex für den/die Eine*n oder Andere*n erfüllender sein kann oder wie man seine Beziehung auffrischt, aber wie viel Sex ist eigentlich „normal“? Wie viel Sex braucht man, um eine glückliche Beziehung zu führen und definiert Sex überhaupt eine solche Beziehung?
Diese Fragen wollen wir im Folgen nun mit und für euch klären und ihnen auf den Grund gehen.
Das messen mit zweierlei Maß?
Bevor wir zu den facts and figures kommen, ist es vermutlich sinnvoll einmal mit den geschlechtsspezifischen Vorurteilen, welche den jeweiligen sex drive angehe, aufzuräumen. Was damit gemeint ist, soll mit einer kleinen Story erklärt werden.
Vor ein paar Jahren wurde in meine damalige Klassengruppe ein Meme geschickt. Im Prinzip war das Bild in zwei Hälften geteilt. Auf der einen war ein Junge, der mit 14 schon mit verschiedenen Mädchen geschlafen hatte und auf der anderen dasselbe Szenario aber mit vertauschten Geschlechtern. Die Schrift auf dem Bild war sinngemäß Folgende: „Wenn du als Mädchen mit verschiedenen Jungs schläfst, bist du eine Hoe (eng. Schlampe) aber als Junge bist du ein geiler Player.“ Schon damals fand ich es ungerecht, was dieses Messen mit zweierlei Maß sollte.
Unser sex drive definiert uns nicht als Menschen und hat auch nichts mit unseren Qualitäten zu tun. Jemanden deswegen zu verurteilen ist sehr übergriffig und steht uns auch überhaupt nicht zu. Leider wird es uns aber schon früh genauso beigebracht. Man erwischt sich schnell dabei, wie man sich unbewusst denkt: „Sie hat es nicht anderes verdient, wenn sie jede Woche einen Anderen hat.“ Dabei kann es uns völlig egal sein, mit wem ein anderer Mensch schläft und wie oft er dies tut. Mal ganz abgesehen davon, dass wir es bei Männern nicht so verurteilen, weil uns beigebracht wurde, dass Männer quasi zu jeder Tages- und Nachtzeit nur an Sex denken. Auch das Stimmt so absolut gar nicht. Männer haben genauso das Recht zu sagen, wenn sie keine Lust auf haben, wie Frauen auch. Genauso haben Frauen allerdings auch das Recht, für sich zu entscheiden, dass sie gern mehr Sex hätten. Wenn ihr uns nicht glauben solltet, werden wir euch gleich mit einer Studie aus Kanada beweisen, dass es zwischen Frauen und Männern gar nicht so große Unterschiede gibt.
Wie viel Sex ist denn „normal“?
Bei Paaren
Wie bereits erwähnt beziehen wir uns hier auf eine kanadische Studie, die von der Psychologin Amy Muise und ihrem Team an der University of Toronto durchgeführt wurde. Dabei wurden rund 30.000 Menschen zu ihrem Sexleben befragt. Wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass die Teilnehmer dieser Studie beinahe alle in einer Beziehung oder verheiratet waren. Im Zuge dieser Studie wurde deutlich, dass Paare mit einem Mal Sex in der Woche zufrieden sind. Männer denken also nicht nur an Sex und unterscheiden sich somit nicht wirklich von Frauen. Dies war eines der wichtigsten Ergebnisse, welches sehr dazu beitrug Klischees aufzubrechen und mit ihnen aufzuräumen.
Vielleicht sagen jetzt einige, dass diese Ergebnisse nicht repräsentativ genug für Deutschland sein können, weil sie in den USA erhoben wurden. Tatsächlich stimmt das aber nicht. Auch hier in Deutschland haben sowohl Männer als auch Frauen im Alter von 18-35 rund fünf Mal im Monat Sex. Ab 36 sinkt der Durchschnitt auf vier Mal im Monat.
Singles
Bei Singles sieht es etwas anders aus. Laut einer Studie des Universitätsklinikums in Hamburg-Eppendorf, ist das Sexleben der Singles deutlich ruhiger, als es oft in den Medien illustriert wird. Es geht nicht immer von einer Party zur nächsten. Man sollte die Rolle der Medien hier wirklich nicht unterschätzen, denn sie suggerieren uns häufig Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ein Film oder eine Serie ist immer irgendwo Fiktion und es ist auch ganz klar, dass in z.B. Serien, die möglichst viel Gewinn abwerfen sollen, Dinge gezeigt werden, die für den Zuschauer interessant und spannend sind. Heiße Sexszenen gehören hier definitiv dazu, unterstützen allerdings auch das ein oder andere Klischee, wie Sex sein sollte und wie oft wir mit jemandem intim werden sollten.
Kurzum sind Singles also nicht sexuell aktiver, nur weil sie „freier“ sind und niemand sie daheim fragt, wo sie waren.
International
Auch wenn sich nun Kanada und Deutschland ähnlich sind, kann es in anderen Kulturräumen und Ländern durchaus anders aussehen. Je nachdem kann es sein, dass man in anderen Ländern mehr Sex hat und in anderen weniger. Auch hier soll darauf hingewiesen werden, dass Ergebnisse solcher Untersuchungen nicht immer auf jeden/jede zutreffen.
Im Jahre 2007 landete Deutschland im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld mit 103 Mal Sex jährlich. Spitzenreiter war damals Griechenland mit 164 Mal.
In Asien sieht es dagegen wesentlich „schlechter“ aus. In Japan kamen Paare im Durchschnitt 48 Mal im Jahr im Schlafzimmer zusammen. Auch in Thailand sah es ähnlich aus. Außerdem sahen beide Länder Sex nicht als besonders wichtig an. Hier ist es ratsam auch einen Blick in die kulturellen Unterschiede zu wagen. In Japan und auch beispielsweise in Südkorea sind die Arbeitstage unheimlich lang. In seiner Freizeit oder am Wochenende zu arbeiten ist leider keine Seltenheit. Meist sind die Menschen so erschöpft, dass sie einfach nur ins Bett fallen und schlafen. Romantik und Zweisamkeit bleiben somit leider auf der Strecke. Auch die Unzufriedenheit mit dem Sexleben hat ihre Gründe. Unter anderem liegt es an mangelnder sexueller Aufklärung und der Tabuisierung von Themen wie sexuellen Vorlieben, Lust und Sexualität. Gerade für Frauen ist es außerdem noch schwerer, da die ostasiatischen Länder teilweise noch stark patriarchal geprägt sind.
Sind wir „normal“?
Wir wissen, man kann sich von so vielen unterschiedlichen Zahlen schnell eingeschüchtert und überfahren fühlen. Man stellt sich vielleicht sogar die Frage, ob man alles richtig macht oder ob man sich mehr Zeit für Intimitäten nehmen sollte. Allerdings ist völlig falsch, wenn ihr jetzt Anfang euch dazu zu zwingen zweimal in der Woche Sex zu haben, weil der Landesdurchschnitt euch das sagt. Ihr müsstet dann ja theoretisch auch 2,5 Kinder bekommen und das ist etwas schwierig 😉 Was wir damit also sagen wollen ist: es sind nur Zahlen.
Einen niedrigen sex drive zu besitzen, kann viele unterschiedliche Gründe haben und alle sind sie valide und okay. Krankheiten, Depressionen, Stress – all diese Faktoren und viele mehr können dafür sorgen, dass ihr vielleicht keine Lust auf Sex habt. Das Letzte was ihr dann noch braucht ist NOCH MEHR Stress, weil ihr das Gefühl habt, ihr drückt den Durchschnitt. Sollte euch etwas bedrücken, wendet euch an euren Partner oder eure Partnerin und redet miteinander. Fragt euch gegenseitig, ob es dem/der Einen zu viel oder zu wenig ist und versucht gemeinsam eine Lösung zu finden. In unserem Blog haben wir bereits einen Artikel, der sich mit genau diesem Thema beschäftigt. Lest einfach einmal rein! Und wenn ihr wissen wollt, wie ihr euren Libido verbessern könnt, geht es hier zum Artikel.
Auch „zu viel“ Sex zu haben ist gar kein Problem. Weder für Männer NOCH für Frauen. Ihr dürft euch ausleben, wie ihr es für richtig haltet (solange ihr damit niemanden verletzt oder bedrängt). In diesem Punkt solltet ihr euch wirklich von Niemandem etwas sagen lassen.
Am Schluss heißt „normal“ lediglich nur, dass man über eine mathematisch ausgewertete Datenbank einen „Normwert“ oder einen Durchschnitt ermittelt hat, der die breite Masse umfasst, aber nicht das Individuum miteinberechnet. Nun sind wir aber alle individuell und er will vielleicht nur einmal die Woche, sie ist Single und hat gern regelmäßig Sex, jemand anders will vielleicht gar keinen Sex, weil er oder sie asexuell ist, und das ist alles kein Problem oder ein Grund zur Sorge. Denn wie gesagt, wir versuchen uns die Welt mit Hilfe der Mathematik zu erklären, aber das klappt eben nicht immer.
Ihr müsst glücklich sein, das ist das aller Wichtigste und beim Thema Sex und Intimität braucht ihr keine Zahlen, die euch sagen, wie es richtig geht, sondern Worte um miteinander kommunizieren zu können, was ihr wollt und was ihr braucht.